Von der Villa zum Wohnprojekt: Rudolf Flösser erklärt, warum Verdichtung neue Chancen schafft

Rudolf Flösser sieht in der Verdichtung von Wohnraum nicht den Verlust, sondern eine neue Form des Zusammenlebens.

In vielen Schweizer Städten wird es eng. Während Wohnraum knapp und teuer ist, stehen grosszügige Villengrundstücke oft nur wenigen Menschen offen. Rudolf Flösser, langjähriger Beobachter des Immobilienmarkts, plädiert für ein Umdenken: Mit durchdachter Verdichtung lassen sich nicht nur dringend benötigte Wohnungen schaffen – es entstehen zugleich lebendige, vielfältige Wohnquartiere.


Viele Städte in der Schweiz stehen vor derselben Herausforderung: Der Wohnraum wird knapp, während sich die Bedürfnisse der Menschen verändern. Klassische Einfamilienhäuser mit grossen Grundstücken passen oft nicht mehr zur Realität – weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich. Rudolf Flösser beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und sieht in der gezielten Nachverdichtung eine echte Chance: Statt neue Flächen zu versiegeln, können bestehende Grundstücke neu gedacht werden – mit hochwertigen Konzepten, die moderne Wohnformen ermöglichen und zugleich auf die Umgebung Rücksicht nehmen. Dabei geht es nicht um maximale Bebauung, sondern um intelligente Lösungen, die sowohl ökologisch als auch sozial sinnvoll sind. Wenn sorgfältig geplant wird, kann Verdichtung nicht nur mehr Wohnraum schaffen, sondern auch Lebensqualität und Gemeinschaft stärken.

 

 

Wohnträume im Wandel: Warum Platz allein nicht mehr genügt

Viele kennen das Bild: grosse Häuser mit gepflegten Gärten, eingefasst von Hecken, in ruhigen, zentral gelegenen Quartieren. Jahrzehntelang galten solche Immobilien als Inbegriff des gelungenen Lebens. Doch das Ideal wankt. Rudolf Flösser, der sich seit Jahren mit städtebaulicher Entwicklung beschäftigt, beobachtet einen spürbaren Wandel.

„Es passt einfach nicht mehr zur heutigen Realität“, sagt er. Denn während sich Familienstrukturen verändern und immer mehr Menschen allein oder in kleinen Haushalten leben, bleiben viele dieser Grundstücke ungenutzt – zumindest gemessen an ihrem Potenzial. Gleichzeitig wächst der Bedarf an leistbarem Wohnraum genau dort, wo diese Grundstücke liegen: stadtnah, gut angebunden, mit allem, was das tägliche Leben braucht.

Warum ausgerechnet Einfamilienhäuser auf dem Prüfstand stehen

In der Schweiz lebt mittlerweile rund ein Drittel der Bevölkerung in Ein- oder Zwei-Personen-Haushalten. Klassische Grossfamilien sind seltener geworden. Das führt dazu, dass viele Häuser, die einst Platz für mehrere Generationen boten, heute nur noch von einer oder zwei Personen bewohnt werden – auf Grundstücken, die mehr hergeben könnten. „Ein 1000-Quadratmeter-Grundstück für eine Einzelperson, das kann man sich kaum noch leisten, aber es ist auch schlicht nicht mehr sinnvoll“, so Flösser. Es sei an der Zeit, den vorhandenen Raum neu zu denken.

Rudolf Flösser: Was Verdichtung tatsächlich bedeutet – und was nicht

Viele verbinden das Wort „Verdichtung“ mit grauen Bauten und beengten Verhältnissen. Dabei kann das Gegenteil der Fall sein – wenn klug geplant wird. Flösser betont: „Es geht nicht darum, möglichst viel auf möglichst wenig Fläche zu bauen. Es geht darum, Lebensqualität neu zu gestalten.“

Aus einem grosszügigen Einfamilienhaus können mehrere Wohnungen entstehen – eingebettet in Grünflächen, mit durchdachten Grundrissen, Rückzugsorten und Gemeinschaftsflächen. Richtig umgesetzt, wird der Ort nicht entwertet, sondern neu belebt.

Die Chancen: Lebensqualität durch gutes Konzept

Was passiert, wenn aus einer Villa ein Wohnprojekt wird? Im Idealfall entsteht ein Ort, der offen ist für unterschiedliche Lebensentwürfe: Familien, Alleinlebende, Senioren, Paare. Gemeinsame Innenhöfe, kleine Werkstätten, Gästezimmer, Begegnungsräume – sie fördern den Austausch und schaffen neue Nähe. „Solche Projekte haben das Potenzial, echte Nachbarschaften zu schaffen“, sagt Rudolf Flösser. Und: Sie holen junge Familien und neue Energie in Stadtteile zurück, die sonst überaltern würden.

Die Vorteile durch Verdichtung – konkret und greifbar

Bestehende Infrastruktur wird sinnvoll genutzt

  • Verkehrsanschlüsse, Schulen, Ärzte, Läden – all das ist in etablierten Quartieren vorhanden. Warum neu bauen, wenn das Bestehende mitgedacht werden kann?
  • Flächenschonung: Wer bestehende Grundstücke besser nutzt, verhindert die Zersiedelung der Landschaft.
  • Mehr Leben im Quartier: Neue Bewohner bringen frischen Wind – und tragen dazu bei, dass Bäckereien, Cafés oder Buslinien erhalten bleiben.

Nachhaltigkeit inklusive

  • Weniger Energieverbrauch: Neue Gebäude sind meist effizienter als ältere Häuser – das senkt Kosten und schützt die Umwelt.
  • Kurze Wege: Wer zentral lebt, ist seltener aufs Auto angewiesen.
  • Gemeinsam statt allein: Geteilte Räume und Angebote sparen Ressourcen – vom Waschkeller bis zur E-Bike-Ladestation.

Herausforderungen: Offen, aber lösbar

Natürlich gibt es auch Bedenken. Anwohner sorgen sich um mehr Verkehr, veränderte Ortsbilder oder Lärm durch Bauarbeiten. Flösser kennt diese Reaktionen: „Sie sind verständlich. Aber mit offener Kommunikation und transparenter Planung lassen sich viele Vorurteile abbauen.“ Wichtig sei, dass Anwohnende frühzeitig einbezogen werden und ihre Fragen ernst genommen werden. Oft zeigen sich im Nachhinein sogar unerwartete Synergien.

Wohnraum für alle – nicht nur für wenige

Sozialverträglichkeit statt Verdrängung

Einer der grössten Vorteile durchdachter Verdichtung ist die Möglichkeit, wieder leistbare Wohnungen in attraktiven Lagen zu schaffen. Denn: Wenn sich Grundstückskosten und Erschliessung auf mehrere Parteien verteilen, sinkt der Preis pro Wohneinheit.

So entsteht Raum für Menschen mit unterschiedlichen Einkommen – ein Schritt hin zu echter Vielfalt. „Wir müssen Quartiere wieder für alle öffnen“, sagt Flösser. „Verdichtung kann dabei ein hilfreicher Hebel sein.“

Neue Wohnformen für ein neues Miteinander

Mikroquartiere statt Isolation

Besonders spannend findet Flösser die Idee sogenannter Mikroquartiere. Statt einzelner Häuser entstehen kleine, flexible Gemeinschaften, die sich organisch in bestehende Stadtstrukturen einfügen. Dabei geht es nicht um Uniformität, sondern um Vielfalt: verschiedene Wohnungstypen, Altersgruppen, Lebensstile.

Was heute noch ungewohnt wirkt, wird bald selbstverständlich

Verdichtung ist kein vorübergehender Trend. Sie wird Teil der Zukunft sein – weil der Platz knapp ist, weil sich Lebensentwürfe verändern, weil Ressourcen endlich sind. Doch wie diese Verdichtung aussieht, liegt in unserer Hand.

Dr. Rudolf Flösser ist überzeugt: „Wenn wir heute zeigen, dass neue Wohnformen nicht nur notwendig, sondern auch attraktiv sind, schaffen wir langfristig Akzeptanz.“ Es brauche Vorbilder und den Mut, bekannte Wege zu verlassen.

Gemeinsam neu denken – und besser wohnen

Verdichtung ist kein Zeichen von Verzicht, sondern Ausdruck eines bewussten Wandels – hin zu einem überlegteren Umgang mit Raum, Ressourcen und dem Miteinander. Sie schafft neue Formen des Wohnens, belebt bestehende Quartiere und kann zu mehr Lebensqualität führen, wenn sie mit Umsicht geplant wird. Gerade in Zeiten wachsender sozialer und ökologischer Herausforderungen zeigt sich, wie wertvoll durchdachte Konzepte für das urbane Zusammenleben sind. Es geht nicht darum, Bestehendes zu verdrängen, sondern Raum für neue Ideen zu schaffen. Wer bereit ist, Gewohntes zu hinterfragen, kann viel gewinnen – für sich selbst, für das Umfeld und für kommende Generationen.
Rudolf Flösser sieht in dieser Entwicklung keine Bedrohung, sondern eine echte Chance für ein nachhaltigeres und menschlicheres Wohnen.